Verstopfung bei Kindern
Durch verschiedenste Ursachen, wie Ernährung, mangelnde Flüssigkeitszufuhr, situative und psychische Belastungen kann es bei Ihrem Kind zu einer leichten akuten Verstopfung kommen. Beim Toilettengang kann es dann aufgrund der Härte des Stuhls zu Schmerzen bei der Stuhlentleerung kommen. Ihr Kind versucht diese Schmerzen in Zukunft unbewusst zu vermeiden, indem es den Stuhl zurückhält. Dadurch kommt es wiederum zu einer weiteren Verstopfung und der Teufelskreis, der sogenannte Schmerz-Retentions-Schmerz-Zyklus, beginnt.
Chronische Verstopfung kann bei Ihrem Kind zu einer Reihe von Problemen führen. Durch das Zurückhalten des Stuhls, kommt es zu einer Ansammlung von Stuhl im Enddarm. Die daraus resultierende andauernde Überdehnung führt zu einer Erweiterung des Darms und somit zu einer Senkung der Wahrnehmungsschwelle und Verminderung des Stuhldrangs. Es kommt zur Bildung von großen Kotsteinen die nicht mehr ausgeschieden werden können. Frischer, noch weicher Stuhl wird von oberen Darmanteilen nachtransportiert und kann nicht mehr zurückgehalten werden – es kommt zum Stuhlschmieren und unwillkürlichem Stuhlverlust.
Dieser Teufelskreis hat nicht nur negative Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit Ihres Kindes, sondern kann auch zu einem gestörten Selbstwertgefühl, zu Hänseleien und Abgrenzung durch Gleichaltrige sowie zur Entsozialisierung mit Tendenz zum Einkoten auch nach Überwindung der chronischen Verstopfung führen. Die chronische Verstopfung ist ein Problem, welches oft nicht von heute auf morgen gelöst werden kann. Der Darm ist träge und aufgeweitet. Es können mehrere Monate vergehen bis er wieder seine ursprüngliche Form und Funktion erreicht und regelmäßiges, normales Stuhlverhalten zurückerlangt wird.
Achtung!
Wichtig bei der Abklärung einer chronischen Verstopfung ist nicht nur ein feinfühliger Umgang mit dem oft traumatisierten Kind, sondern auch der Ausschluss organischer Ursachen. Hier müssen Fehlbildungen aus dem Formenkreis der anorektalen Malformationen oder Erkrankungen des Nervensystems der Darmmuskulatur ausgeschlossen werden. Gelegentlich sind diese nicht einfach zu diagnostizieren, sodass bei einer länger bestehenden Verstopfung eine Untersuchung durch einen Kinderchirurgen angeraten wird.
Obstipation im Kindesalter – Update zur Abklärung und Therapie
Der folgende Beitrag erschien in der Ausgabe 2.2019 der Zeitschrift „Arzt+Kind“ – Download Obstipation im Kindesalter Arzt+Kind 2.2019
Einleitung
Obstipation gehört zu den häufigsten Symptomen mit denen Kinder beim Kinderarzt vorstellig werden. In den meisten Fällen handelt es sich um eine leicht zu behandelnde und vorübergehende Symptomatik. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Pathologie und die entsprechende Basistherapie liefern und die Indikationen und Zeitpunkte für die Konsultation von zusätzlichen Spezialisten verdeutlichen.
Definition
Definiert wird die Obstipation nach den Rom Kriterien. Siehe Tabelle 1.
Rom III – Obstipation bei Kindern bis 4 Jahre
Ein Monat mindestens 2 der folgenden Kriterien
o Zwei oder weniger Stühle pro Woche
o Mindestens eine wöchentliche Episode von Inkontinenz nach erfolgreichem Toilettentraining
o Zurückhalten des Stuhls
o Schmerzen beim Stuhlgang oder sehr harter Stuhl
o Großes Fäkalom im Rektum
o Große Stuhlmengen beim Stuhlgang
Zusätzliche Symptomatik
Appetitverlust, abdominelle Schmerzen
o Symptombesserung gleich nach erfolgreicher Darmentleerung
Ätiologie
Bei ca. 95% der Kinder mit Obstipation wird keine organische Ursache gefunden [1]. Diesen Kindern erhalten eine funktionelle Obstipation (FO) als Diagnose (ICD-10: K59.9). Bevor diese Diagnose gestellt werden kann, müssen organische Ursachen ausgeschlossen werden. Dabei müssen die betroffenen Kinder auf metabolische, endokrinologische und neuromuskuläre Krankheiten sowie anorektale Fehlbildungen und Morbus Hirschsprung untersucht werden. Eine gezielte Anamnese reicht in den meisten Fällen um die Diagnose zu stellen. In manchen Fälle, und vor allem bei anhaltenden Symptome, wird eine Irrigoskopie und eine Rektumbiopsie empfohlen.
Die genauen Ursachen einer FO sind unbekannt, aber wahrscheinlich multifaktoriell bedingt. Außerdem spielen bei Kindern einerseits das absichtliche Zurückhalten des Stuhlgangs (auch als Folge traumatischer Erlebnisse) und andererseits Schmerzen beim Stuhlgang eine wichtige Rolle.
Unabhängig der Ursache, präsentieren Kinder oft mit einer Überlaufenkopresis als Folge einer Stuhlwalze im Sigma/Rektum. Zusätzlich führen auch psychologische Faktoren wie Verhaltensstörungen, Autismus oder herausfordernde Lebensereignisse zu einer Obstipation oder sorgen für eine Aufrechterhaltung und Verschlechterung der Symptomatik. Als weitere Faktoren werden die Eltern-Kind-Interaktion, der sozioökonomische Status und das Erziehungsverhalten der Eltern sowie das soziale Umfeld diskutiert [2].
Extrinsische Faktoren
Diese können müssen bei der initialen Begutachtung ausgeschlossen werden. Die Behandlung ist die Behebung des Ursprung Problems. Die Häufigsten Extrinsische Faktoren sind unten aufgelistet. Eine genaue Beschreibung der Pathophysiologie in diesen Fällen sprengt den Rahmen dieser Übersicht und wird hier nicht behandelt.
• Ballaststoffarme Kost
• Verminderte Hydratation
• Verminderte Motilität
• Elektrolytstörungen
• Endokrinologische und metabolische Erkrankungen
• Neurologische Erkrankungen
• Psychologische Störungen
Intrinsische Faktoren
Der normale Stuhlgang erfordert die Entspannung der puborectalis Muskulatur, das Absenken des Beckenbodens mit der Begradigung des Anorektalen Winkels, die Hemmung der segmentalen Peristaltik des Kolons, die Kontraktion der Bauchwandmuskulatur und schließlich die Entspannung des äußeren analen Schließmuskels.
Intrinsische Faktoren, die zu chronischer Verstopfung führen, lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Beckenbodendysfunktion (BD) und langsame Kolontransitzeit (LKT)[3], wobei die Beckenbodendysfunktion bei Kinder seltener als bei Erwachsenen auftritt. Die Unterscheidung zwischen beiden letzten ist oft nicht möglich und bei den meisten Fällen eine Überlappend auftritt [4].
BD beinhaltet eine schlaffe Beckenbodenmuskulatur, eine Beeinträchtigung der Sensibilität im Rektum und einen verminderten Lumendruck im Analkanal. Paradoxe Kontraktionen in denen die puborectalis Muskulatur und der externe Analsphinkter unkoordiniert angespannt werden, gehören auch zu dieser Gruppe. Zu den anatomischen Ursachen gehören der Rektumprolaps oder Perinealschäden, z.B. durch Verletzung der Sakralnerven nach perinealen Operationen.
LKT ist ein wenig verstandenes Leiden das überwiegend bei Kindern und jungen Frauen vorkommt [3] [5]. Hier sind in der Kolonmanometrie verminderte hochamplituierte Kontraktionen im Dickdarm erkennbar, die zu einem langsamen und/oder seltenem Stuhlgang führen [6]. Durch diese verminderte Peristaltik wird der Stuhl länger im Kolon gehalten und dadurch fester und kleiner, sodass der Druck auf das Rektum nicht erhöht werden kann und der Defäkationsreflex vermindert ist. Mittelfristig hat dies den Nebeneffekt, dass es zu Stuhlretentionen im Rektosigmoid kommt, wodurch sich dieses ausdehnt und der Defäkationsreflex weiter vermindert wird.
Diagnostik
Der erste Teil der Diagnostik besteht aus einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf folgende Kriterien: (Tabelle 2)
Anamnese
Dauer der Beschwerden
b. Definition der Obstipation laut Patient/Eltern
c. Häufigkeit des Stuhlgangs
d. Stuhlkonsistenz
e. Medikationen
f. Begleiterkrankungen
g. Nahrungshabitus
h. Flüssigkeitszufuhr
i. Körperliche Aktivität
j. Stuhlprotokoll (Download)
Körperliche Untersuchung
Operationsnarben
b. Darmgeräusche und abdominelle Distension
c. Tastbare Stuhlwalze
d. Anale Inspektion auf:
i. Fissuren
ii. Hämorrhoiden
iii. Prolaps
iv. Hautmarkierungen
e. Anale Untersuchung auf:
i. Analreflex
ii. Sphinktertonus
iii. Rektale Raumforderung
iv. Stuhlstein
v. Blut
f. Laboruntersuchungen:
i. Blutbild
ii. Glukose
iii. Schilddrüse und Nierenfunktion
g. Spezielle Untersuchungen:
i. Kolon-Transitzeit
ii. Anorektale Manometrie / Kolon Manometrie
iii. Irrigoskopie und bei Bedarf Rektumbiopsie
Im weiteren Verlauf und je nach Dauer der Symptome und Befunde, kann eine Dickdarm Irrigoskopie und Rektumschleimhaut Biopsie nötig sein. Die Indikationen für diese letzten Untersuchungen sollten jedoch vom Kinderchirurgen gestellt werden und kommen erst in Frage wenn eine Konservative Therapie nicht erfolgreich ist.
Behandlung
Nicht-Pharmakologische Behandlung
Aufklärung
Aufklärung und Entmystifizierung sind die ersten Schritte in der nicht-pharmakologischen Behandlung von Obstipation. Wenn es das Alter zulässt, sollten Kinder in das Gespräch mit einbezogen werden. Emotionen wie Schuld, Scham und Mobbing sollten vor allem im Zusammenhang mit Inkontinenz besprochen werden. Es ist wichtig, die Überlaufinkontinenz zu erklären und die Eltern auf den langen Verlauf der Problembehebung vorzubereiten, um realistische Erwartungen zu gewährleisten.
Toilettentraining, Belohnungssystem und Tagebuch zur Defäkation
Eine Stauung im Rektum führt zu einer Überlauf-Enkopresis und verschlimmert die Obstipation durch eine Erweiterung des Rektums und somit Desensibiliserung des Entleerungsreflexes. Damit das Rektum sich auf ein normales Kaliber zurückbilden und der Defäkationsreflex sich wieder einstellen kann, ist es wichtig das Rektum regelmäßig zu entleeren. Bei Kindern über 4 Jahre kann das meist mit einem Toilettentraining erreicht werden. Dabei muss das Kind nach jeder Mahlzeit (am besten immer zur gleichen Zeit) fünf Minuten auf der Toilette sitzen und aktiv versuchen Stuhlgang zu produzieren, wobei der gastrokolische Reflex unterstützend wirkt. Eine entspannte Haltung, die auch mit Hilfe einer Fußunterstützung erreicht werden kann, ist zusätzlich wichtig. Bei manchen Kindern kann ein Belohnungssystem z.B. in Form von Aufklebern oder Protokollieren in einem Stuhl-Kalender sehr hilfreich sein und sollte ausprobiert werden.
Sehr wichtig ist, dass bei diesem Thema kein emotionaler Druck erzeugt wird und das Erreichen des Ziels durch positives Feedback gefördert wird.
Physische Aktivität
Eine große prospektive Geburtskohortenstudie zeigte, dass körperliche Aktivität mit einem verminderten Risiko von Obstipation einher geht. Es gibt jedoch keine randomisierten Studien die dieses bestätigen [2].
Psychologische Unterstützung
Ein Drittel der Patienten mit einer chronischen Obstipation entwickeln oder präsentieren Verhaltensprobleme. Eine randomisierte Studie hat jedoch nicht nachweisen können, dass eine psychotherapeutische Unterstützung die Symptome verbessert. Bei einem chronischen Problem ist es jedoch ratsam, eine/n spezialisierte/n PsychologIn in der Behandlung zu involvieren, um Stresssituation und die familiäre Belastung durch die Erkrankung vermindern zu können. Interventionsformen wie z.B. Biofeedback sollen bei Kindern mit FO eine Verbesserung der Sensibilität (im Sinne einer verbesserten Körperwahrnehmung) mit einer angemessenen Reaktion darauf erreichen. Die Ergebnisse dieser Methode sind gemischt und im Moment noch nicht durch grundlegende Evidenz gestützt [1].
Pharmakologische Behandlung
Grundlagen
Die pharmakologische Behandlung von FO besteht aus einer Behandlung mit Abführmitteln und umfasst drei Schritte: Entleerung, Erhaltungstherapie und schließlich Entwöhnung [2].
Entleerung oder Stuhlausräumung
Eine fäkale Impaktion oder ein Fäkalom ist bei ca. 50% der Kinder mit einer FO vorhanden. Diese ist auch oft der Grund, dass PatientInnen sich nicht mit Stuhlretention präsentieren, sondern mit Stuhlinkontinenz und Stuhlschmieren in der Unterhose. Es wird deshalb empfohlen die Therapie immer mit einer Desimpaktion oder Stuhlentleerung zu beginnen. In den meisten Fällen lässt sich diese leicht durch orale Medikamente oder altersentsprechende Einläufe durchführen. Bei einem Einlauf sollte sehr darauf geachtet werden, dass Kinder diesen nicht als schmerzhaft oder traumatisch erleben. Wenn dies nicht sichergestellt werden kann, sollte auf einen Einlauf verzichtet werden und zunächst eine orale Therapie mit PEG versucht werden.
Erhaltungstherapie
Nach erfolgreicher Entleerung kann mit einer Erhaltungstherapie begonnen werden. Das Ziel ist eine Medikamentendosis oder Kombination zu finden, mit der man mindestens viermal in der Woche einen schmerzlosen und geformten Stuhlgang hat. Als Mittel der ersten Wahl ist in diesem Fall PEG geeignet. Bei Hypomotilität kann jedoch der Zusatz eines stimulierenden Laxans nötig sein. Der Erfolg der Therapie sollte alle zwei bis vier Wochen kontrolliert werden, wobei die Kontrollen nach Erreichen der optimalen Dosis auf alle ein bis zwei Monate erweitert werden können. Es wird empfohlen, die Therapie mindestens sechs Monate durchzuführen, bevor ein Entwöhnungsversuch begonnen wird.
Entwöhnung
Bei etwa der Hälfte der behandelten Kindern kann die Therapie nach 6-12 Monaten beendet werden ohne einen Rückfall zu erleiden. Die Medikation sollte dabei schrittweise über ein bis zwei Monaten reduziert und nicht abrupt abgesetzt werden. Die Entwöhnung kann in Betracht gezogen werden, wenn das Kind stabil über mind. drei Monate dreimal in der Woche oder häufiger Stuhlgang hat.
Osmotische Abführmittel
Diese sind in der Regel der erste Schritt einer pharmakologischen Behandlung. Es handelt sich hier um Mittel die schlecht von der Darmwand resorbiert werden und die intraluminale Osmolalität erhöhen. Als Folge wird aufgrund der erhöhten Salzkonzentration Wasser im Darmlumen zurückgehalten und die Stühle werden weicher. Ein leichtes Erhöhen der Peristaltik wird in einigen Fällen durch Erniedrigung des intraluminalen pH-Wertes erreicht.
Polyethylenglycol (Macrogol, Movicol)
Polyethylenglycol (PEG) ist ein biologisch neutrales, wasserlösliches Polymer, das im Magen-Darm-Trakt nur minimal absorbiert wird [7–9]. Es ist das Mittel der ersten Wahl bei Kindern mit Obstipation [9] und das meistgenutzte Laxans bei Kindern und Erwachsenen. Die Wirkung ergibt sich durch die Bindung von PEG und Wasser sowie einer erhöhten Retention von Flüssigkeit im Kolon und einer damit einhergehenden Änderung der Stuhlkonsistenz. Es wird nicht metabolisiert und weniger als 1% wird vom Darm resorbiert. PEG ist auch bei Kindern unter 2 Jahren eine sichere Medikation, wenn gleichzeitig auf die ausreichende Aufnahme von Elektrolyten und Flüssigkeit geachtet wird.
PEG ist kontraindiziert bei Leberversagen und Niereninsuffizienz sowie bei Ileus. Als Nebenwirkungen können vor allem bei zu hoher Dosierung Blähungen und Inkontinenz auftreten.
Lactulose und Lactitol
Lactulose und Lactitol sind synthetische Derivate von Lactose die im Dünndarm nicht hydrolysiert werden und damit nicht resorbiert werden können. Bakterien fermentieren diese Disaccharide und es entstehen intraluminal hyperosmolare Säuren was zu einer intraluminalen Wassereinlage führt und die Darmperistaltik anregt. Durch die Fermentierung entsteht außerdem Gas, welches zu einer Darmdehnung und zusätzlicher Peristaltik führen kann.
Obwohl Laktulose bei Kindern häufig verschrieben wird, gibt es wenig Evidenz über die Wirksamkeit und zeigt es sich in Studien deutlich weniger wirksam als PEG. Es wird als Mittel der zweiten Wahl empfohlen, wenn PEG nicht verfügbar ist [1].
Magnesiumhydroxid (Magnesia-Milch)
Das Antacidum Magnesiumhydroxid (in seiner Suspensionsform auch als „Magnesia-Milch“ bezeichnet) und andere Magnesiumsalze (z.B. Magnesiumsulfat und Magnesiumcitrat) wirken abführend. Diese Medikamente wirken osmotisch, machen den Stuhl durch die Sekretion von Flüssigkeit weich und regen die Darmtätigkeit an [2].
Es ist jedoch weniger wirksam als PEG und kann zu schweren Nebenwirkungen vor allem bei chronischem Gebrauch führen. Unter den Nebenwirkungen kann es zu Hypotonie, Schwäche und Lethargie kommen. Bei Niereninsuffizienz ist Magnesiumhydroxid streng kontraindiziert.
Stimulierende Abführmittel
Wenn sich osmotische Abführmittel bei der Behandlung pädiatrischer Patienten mit FO allein als unzureichend erweisen, können stimulierende Abführmittel als Zusatz- oder Zweitlinienbehandlung eingesetzt werden.
Stimulierende Abführmittel wirken direkt auf die Darmschleimhaut durch Förderung der Wasser- und Elektrolytsekretion ins Darmlumen, Anregung der Darmperistaltik und Hemmung der Wasser- und Elektrolytretention aus dem Kolon.
Diphenylmethane und Anthrachinone sind stimulierende Abführmittel, welche häufig zur Behandlung von FO bei Kindern verwendet werden. Obwohl Bauchschmerzen eine häufige Nebenwirkung sind, vor allem wenn sie bei einem nicht abgeführten Darm eingesetzt werden, werden die Stimulanzien überwiegend gut vertragen. Sie gelten als sicher und wirksam und können zur Behandlung von FO bei Kindern eingesetzt werden.
Eltern drücken oft ihre Sorge über die Entwicklung eines „faulen Darms“ oder einer Abhängigkeit von Laxantien aus. Diese bestehen durch die fälschliche Annahme, dass es durch den Einsatz dieser Medikamente zu einer verminderten Kolonfunktion kommt. Dieses Phänomen ist jedoch sehr selten und auf sehr wenige Medikamente beschränkt. Es ist wahrscheinlicher, dass PatientInnen mit schwerer funktioneller Obstipation an einer darunter liegenden Motilitätsstörung leiden, die dann fälschlicherweise dem Absetzen der Laxantien zugeordnet wird.
Diphenylmethane
Die bereits oben erwähnten Diphenylmethane umfassen Bisacodyl und Natriumpicosulfat – beides nicht absorbierbare Mittel. Im Dickdarm werden Diphenylmethane zu ihren aktiven Metaboliten hydrolysiert, die lokal prokinetisch wirken und die Darmsekretion stimulieren.
Bisacodyl kann oral oder rektal verabreicht werden. Die abführende Wirkung von Bisacodyl per os tritt im Allgemeinen innerhalb von 6–8 Stunden auf. Daher wird empfohlen, Bisacodyl in der Nacht einzunehmen. Rektal verabreichtes Bisacodyl hat eine schnelle Wirkung (manchmal innerhalb von 30–60 Minuten).
Natriumpicosulfat ist nur als orales Medikament erhältlich. Der Wirkeintritt ist vergleichbar mit Bisacodyl per os. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Die rektale Verabreichung von Bisacodyl ist bei Kindern mit Proktitis oder Analfissuren kontraindiziert [10].
Anthrachinone
Das pflanzliche Senna enthält eine Vielzahl von Anthrachinonen und wird von Darmbakterien zu seinem pharmakologisch aktiven Metabolit metabolisiert, der die Darmwand stimuliert und zu Sekretion von Wasser und Elektrolyten führt. Nebenwirkungen sind Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Blähungen. Bei Kleinkindern kann Senna schwerwiegende Windelausschläge, Blasen und Hautrisse verursachen und sollte daher nur bei älteren Kindern (über 1 Jahr) angewendet werden.
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Abführmittel Oral
Entleerung oder Stuhlausräumung (Therapiebeginn)
Erhaltungstherapie
PEG 4000
(Stuhlweichmacher)
1-1,5 g/kg/Tag – 3-6 Tage
0,2-0,8 g/kg/Tag – > 2 Monate
Lactulose
(Stuhlweichmacher)
Nicht geeignet
7 Monate – 18 Jahre: 1–2 g/kg/Tag geteilt in 1-2 Dosen
1–6 Jahre: 0,5–12 g/kg/Tag in 2–3 Dosen
6–12 Jahre: 10–30 g/Tag in 2–3 Dosen
12–18 Jahre: 20–60 g/Tag in 2–3 Dosen
Bisacodyl
(Motilitätsfördernd)
3–10 Jahre: 5 mg/Tag in 1 Dosis (at Nacht)
> 10 Jahre: 5–10 mg/Tag in 1 Dosis (at Nacht)
Senna
(Motilitätsfördernd)
2–6 Jahre: 2,5–5 mg/Tag in 1-2 Dosen
6–12 Jahre: 7,5–10 mg/Tag in 1-2 Dosen
> 12 Jahre: 15–20 mg/Tag in 1-2 Dosen
Natriumpicosulfat
(Motilitätsfördernd)
1 Monat – 4 Jahre: 2,5–10 mg/Tag in 1 Dosis
4 bis 18 Jahre: 2,5–20 mg/Tag in 1 Dosis
Einläufe
Einläufe sind rektal verabreichte Flüssigkeiten, die die Peristaltik beeinflussen oder einen osmotischen Effekt ausüben. Die Wirkung ist meistens nach wenigen Minuten erkennbar. Es gibt verschiedene Mittel mit unterschiedlichen Wirkungen.
Natriumlaurylsulfoacetat bewirkt eine Umverteilung des an den harten Kot gebundenen Wassers und hat zusätzlich eine osmotische Wirkung und somit einen stuhlaufweichenden Effekt.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Einläufen sind Bauchschmerzen und anorektale Beschwerden. Natriumphosphat-Einläufe sind kontraindiziert, wenn der Verdacht auf Hirschsprung besteht, da sie das Potenzial haben, Hyperphosphatämie zu induzieren.
Einläufe sollten generell nicht bei Kindern mit Morbus Hirschsprung oder anorektalen Fehlbildungen benutzt werden und sollten auch nur zur kurzfristigen Behebung von Schmerzen oder akuten Symptomen von Obstipation eingesetzt werden.
Rektale Spülungen
Die transanale Rektal-/Kolonspülung ist ein Verfahren, bei dem Wasser in das Rektum und/oder den Dickdarm infundiert wird, um den Darm mechanisch zu reinigen. Die Spülungen sind vor allem bei Kindern mit neurogenen Defäkationsstörungen und anorektalen Malformationen wirksam und sind auch das Mittel der Wahl bei Stuhlinkontinenz. Die Dosierung der Wassermenge liegt bei 10–20 ml/kgKG.
Neue Therapien (Lubiproston, Linaclotide und Prucaloprid)
Lubiproston, Linaclotid und Prucaloprid sind relativ neue Medikamente, die sich bei Erwachsenen mit Obstipation als wirksam erwiesen haben. Daten zur Wirksamkeit dieser Mittel bei der Behandlung von Verstopfung im Kindesalter sind jedoch kaum verfügbar.
Lubiproston und Linaclotid fördern im Darm beide die Sekretion von chlorid reicher Flüssigkeit. Prucaloprid ist ein selektiver 5-Hydroxytryptamin-4(Serotonin)-Rezeptoragonist mit hoher Affinität, der die Motilität im Gastrointestinaltrakt sowie die Darmentleerung erhöht.
Probiotika
Durch Veränderung der Darmflora können Probiotika die Beweglichkeit des Kolons beeinflussen. Die bakterielle Produktion von kurzkettigen Fettsäuren senkt den pH-Wert im Dickdarm, was die Peristaltik des Dickdarms erhöht und dadurch die Kolontransitzeit senkt. Studien zur Anwendung von Probiotika wurden bei Kindern durchgeführt, allerdings gibt es bisher keine ausreichende Evidenz, die für den therapeutischen Einsatz von Probiotika in der Behandlung von Verstopfung bei Kindern sprechen [4].
Prognose
Ein großer Teil der Kinder mit FO kann effektiv mit den derzeit verfügbaren Therapeutika behandelt werden.
Eine frühzeitige adäquate therapeutische Intervention ist von zentraler Bedeutung für das Management von FO im Kindesalter. Eine Verzögerung zwischen dem Auftreten der Symptome und der ersten Vorstellung bei einem Arzt oder einer Ärztin hat einen negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Bei Kindern mit schwerer, hartnäckiger Verstopfung, die auf eine intensive pharmakologische Behandlung nicht ansprechen, wird die Überweisung an ein spezialisiertes pädiatrisches chirurgisch-gastroenterologisches und Motilitätszentrum zur weiteren Behandlung empfohlen. Bei diesen Kindern kann eine chirurgische Intervention die letzte Therapieoption sein.
Chirurgische Behandlung der Obstipation
In manchen Fällen ist die chirurgische Behandlung der Obstipation indiziert. Konservativ austherapierte PatientInnen oder PatientInnen mit einem deutlichen subjektiven Leidensdruck und erhöhter psychischer Belastung durch eine nicht erfolgreich behandelbare Obstipation kommen in Frage. Die Chirurgie der Wahl ist eine Sigmaresektion mit Erhaltung des Rektums[11,12,13]. Der Umfang Resektion muss dabei im Vorfeld mittels einer Kolon-Manometrie bestimmt werden [14].
In manchen Fällen und bei absichtlicher Zurückhaltung des Stuhlgangs kann auch die einmalige Injektion von Botox in den Analsphinkter zielführend sein. Dabei muss beachtet werden, dass diese das Kind vorübergehend inkontinent machen kann. Die Wirkung von Botox lässt aber in der Regel nach 2-3 Monaten nach.
Andere chirurgische Eingriffe wie die Sphinkterotomie werden nicht empfohlen, da diese zu einer permanenten Inkontinenz führen können. Bei resistenter Obstipation sollte der Kinderchirurg für die weitere Diagnose und Behandlung eingezogen werden.
Conclusio
Funktionelle Obstipation kann eine herausfordernde Erkrankung sein. Nicht jedes obstipierte Kind braucht eine komplette Abklärung, aber in therapieresistenten Fällen ist die Konsultation eines/r Kinderchirurgen/Kinderchirurgin empfohlen. Strukturierte Therapieprotokolle zur Behandlung einer chronischen Obstipation haben deutliche Vorteile und sind in den meisten Fällen erfolgreich [15,16]. Diese müssen komplett ausgeschöpft werden, bevor eine chirurgische Behandlung in Frage kommt. Eine erfolgreiche und frühzeitige Behandlung der Obstipation kann lang andauernde körperliche Beschwerden und/oder eine bleibende psychische Belastung bei Kindern und Eltern vorbeugen, weshalb diese Symptomatik nicht ignoriert werden sollte.
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